125-jährige Geschichte der Kolpingsfamilie Schwabmünchen
Geselligkeit, Religion und Bildung als Säulen des Gesellenvereins
Anlässlich des 25- jähriges Bestehens des Katholischen Gesellenvereins Schwabmünchen im Jahre 1907, erinnerte sich der Gründungspräses von 1882, Christan Even, an die ersten Jahre des Vereins. Als junger Kaplan war er in die Marktgemeinde gekommen und hatte zusammen mit acht Handwerksgesellen, unterstützt von Schwabmünchner Handwerksmeistern, einen Katholischen Gesellenverein gegründet. Dies ist insofern typisch, als nach einer ersten Welle der Gründungen – meist noch zu Lebzeiten Adolph Kolpings (1813-1865) – in den größeren Städten der Diözese die Bewegung nun die Märkte erfasste. Even erinnerte sich an die Vorbehalte in der Schwabmünchner Bevölkerung gegenüber dem jungen Verein und an das vielgestaltige Vereins leben: an den gemeinsamen, mehr oder weniger harmonischen Gesang, an das Basteln einer Dampfmaschine, an Gottesdienste und an einen Fasnachtsumzug durch den Markt. Ziel des Gesellenvereins war die Heranbildung pflichtgetreuer Christen, Bürger und Meister. Erreicht werden sollte dies durch ein Programm, das neben der „Förderung des religiös sittlichen Lebens" vor allem die Fortbildung der für „das bürgerliche Leben nothwendigen und nützlichen" Kenntnisse, „besonders Aneignung der zum gesegneten Betriebe eines Handwerks oder Gewerbes erforderlichen Berufsliebe und Berufstüchtigkeit" betonte. Typisch für die im ländlichen Bereich situierten Vereine ist die in Schwabmünchen bereits sehr früh erfolgte Öffnung des Gesellenvereins für in der Landwirtschaft arbeitende Jugendliche. Auf den Säulen Geselligkeit, Religion und Bildung ruhte das Vereinsleben im Kaiserreich. Gemeinsame Gottesdienste und Beichten zählten ebenso zu den etablierten Programmpunkten wie das Theaterspiel, Sport, Musik (es bestand ein eigenes Vereinsorchester) und Tanz. Allgemeinbildende Vorträge waren ein fester Bestandteil der regelmäßigen Sonntagsversammlungen, Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Angebot dann um Kurse zur beruflichen Bildung erweitert, die insbesondere als Vorbereitung auf die Meisterprüfung gedacht waren. Fortan konnten die Mitglieder Buchführung, Wechsellehre und Geldscheckverkehr oder gewerbliche Gesetzgebung belegen. Eine eigene Vereinsbibliothek sorgte für den Zugang zu bürgerlichem Bildungsgut.
Unterstützung für wandernde Gesellen
Für die sich auf Wanderschaft befindenden Gesellen bot der Katholische Gesellenverein ein unentbehrliches Netz von Kontakten und Unterstützung. Kam ein Gesellenvereins-Mitglied in einen Ort, in dem ein Gesellenverein bestand, so konnte er sich im Pfarrhaus beim zuständigen Präses melden und bekam nicht nur für einige Nächte kostenloses Quartier und Verpflegung, sondern profitierte auch von den Kontakten zu den ortsansässigen Handwerksbetrieben. Im Jahr 1909 zum Beispiel kümmerte sich der Schwabmünchner Gesellenverein um 40 durch reisende Gesellen.
Politische Bildung und Geselligkeit nach dem Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg markierte einen tiefen Einschnitt und das nicht nur, weil das Vereinsleben nur mit Müh und Not aufrecht erhalten werden konnte, waren doch die meisten der Mitglieder und auch ein Teil der Ehrenmitglieder eingezogen. Seit 1921 bemühte sich der neue Präses Josef Frankl, den Gesellenverein zu modernisieren. Zum einen setzte er mehr auf gesellige Veranstaltungen, um so den Bedürfnissen der jungen Mitglieder einen Raum zu geben, zum anderen aber öffnete er den Verein für die politische Bildung. Die im Kaiserreich geltende strikte politische Abstinenz wurde vom Zentralverband der Katholischen Gesellenvereine bereits 1918 verworfen, man rief die Gesellenvereine zu einem Engagement im Rahmen der staatspolitischen Bildung auf. Neben einem allgemeinen Bekenntnis zur Weimarer Demokratie wurden auch die Verbandsstrukturen im Laufe der zwanziger Jahre auf eine demokratische Grundlage gestellt. Der Schwabmünchner Gesellenverein erlebte eines seiner aktivsten Jahrzehnte der Vereinsgeschichte. Es wurde wieder sehr erfolgreich Theater gespielt, man veranstaltete Familienabende – die Einbeziehung der Familien der Ehrenmitglieder war einer der wichtigsten Impulse der Präseszeit Frankls –, organisierte Ausflüge in die nähere Umgebung, feierte weiterhin gemeinsam Gottesdienst, ging auf Wallfahrt, beteiligte sich aber auch an den Konferenzen und Versammlungen der Verbandsebenen und hielt Kontakt zu den benachbarten Gesellenvereinen.
Gravierende Einschränkungen des Vereinslebens in der NS-Zeit
Mindestens sechs der zwanzig Mitglieder des von 1919 bis 1924 amtierenden Gemeinderats gehörten dem Gesellenverein an. Diese Bindung an das demokratische System und den politischen Katholizismus war dann auch Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre ausschlaggebend für die Ablehnung des aufkommenden Nationalsozialismus. Für den Schwabmünchner Gesellenverein war in diesem Zusammenhang insbesondere der von 1931 bis 1932 als Vizepräses wirkende Kaplan Franz Löckher bedeutend. In Vorträgen warnte er immer wieder vor der nationalsozialistischen Ideologie. Die nationalsozialistische Machtübernahme und -durchsetzung zeigte aber auch in Schwabmünchen bereits sehr bald, dass der Katholische Gesellenverein im „neuen Deutschland" nicht erwünscht war. Zwar wurde der Verband auf Reichsebene nie verboten, doch gingen die neuen Machthaber im lokalen und regionalen Bereich energisch gegen die bestehenden Vereine vor. Es war fortan verboten, Uniformen und Abzeichen von Nicht-NS-Organisationen zu tragen, für kürzere Zeiträume wurden immer wieder Versammlungsverbote verhängt, schließlich wurde dem Verein nur noch eine Betätigung auf religiösem Gebiet erlaubt, die auch örtlich auf das Kircheninnere beschränkt war. Den endgültigen Schlag versetzte dann schließlich 1935 das Verbot einer Doppelmitgliedschaft in konfessionellen Verbänden und der Deutschen Arbeitsfront – der NS Einheitsorganisation, in der alle Arbeiter und Angestellten Mitglied zu sein hatten, wollten sie ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Allein Bauernsöhne und einige Handwerker konnten deshalb ihre Mitgliedschaft aufrecht erhalten, doch zählt eine von NS-Bürgermeister Martin Stuhler in Auftrag gegebene Mitgliederstatistik konfessioneller Vereine 1939 immerhin noch 33 Mitglieder. 1935 wurde das Uniform und Abzeichenverbot Lorenz Rindle zum Verhängnis, der sich eine Anzeige einhandelte, weil er bei einer Beerdigung das Kolpingbanner getragen hatte. Ein kleines Grüppchen traf sich in den dreißiger Jahren in immer unregelmäßigeren Abständen in der Sakristei der Pfarrkirche.
Wiederaufbau durch Kaplan Schwenger
Doch kam der Verein auch während des Krieges niemals ganz zum Erliegen, was dem seit 1939 als Präses amtierenden Kaplan Hermann Schwenger zu verdanken ist. Hermann Schwenger, seit 1943 Expositus und schließlich Pfarrer in Schwabegg, war es dann auch, der sich nach Kriegsende um den Wiederaufau des Vereins kümmerte. Obwohl bereits 1933 der Verband entscheidend umstrukturiert worden war – die Gruppe der „Ehrenmitglieder" wurde nun als vollberechtigte Gruppe „Altkolping" in den Verein eingegliedert, ebenso wie die „Meistergruppe" ihre satzungsmäßige Verankerung fand – und sich dies im neuen Namen des Verbands („Kolpingsfamilie") ausdrückte, wurde der Schwabmünchner Verein in den Bahnen des alten Gesellenvereins wieder aufgebaut. Erst Ende der vierziger Jahre etablierte sich die Gruppe Altkolping, 1950 wurde mit Georg Ostner auch ein Altsenior gewählt. Ein „Senior" stand der Gruppe „Kolping" vor. Das Vereinsprogramm unterschied sich wenig von dem der zwanziger Jahre. Es wurde Theater gespielt, Ausflüge wurden angeboten, Sport getrieben und musiziert. Auch Unterrichtskurse wurden organisiert, so 1949 etwa in Einheitskurzschrift, Buchführung, Steuerwesen und Textilkunde. Vorträge zu beruflichen, religiösen und gesellschatlichen Themen waren fester Bestandteil des Programms, sowie Gottesdienste und Wallfahrten nicht wegzudenken waren. Allerdings entfiel hier –und das ist im Vergleich zu der Zeit der Weimarer Republik zentral – der Zwangscharakter. Von Beginn an verstand sich die Kolpingsfamilie auch als Instanz der politischen Bildungund durch die Erfahrung mit dem Nationalsozialismus um einiges verstärkt. Auch das Engagement im Verband wurde integraler Bestandteil des Selbstverständnisses der Schwabmünchner Kolpingsfamilie.
Innerverbandliche Umstrukturierungen
Die Entwicklung des Verbandes brachte die Integration von jüngeren Jugendlichen in der Gruppe Jungkolping (in Schwabmünchen seit Mitte der fünfziger Jahre), die Öffnung des Vereins für Frauen seit 1966, den Wandel des Selbstverständnisses vom Selbsthilfeverein zu einem sich im sozialen Bereich engagierenden Verband, die programmatischen und ideologischen Lösung der ausschließlichen Bindung an das Handwerk und die zunehmenden Integration der Familien. Diese Entwicklungen setzten sich in den siebziger und achtziger Jahren fort. 1974 wurde die Organisation in die Gruppen Jungkolping – Kolping – Altkolping auf gegeben und stattdessen der Verein im Rahmen von Handlungsfeldern neu organisiert. An der Spitze stand nun ein Vorsitzender, der alle Altersgruppen vertrat, unterstützt von einem stellvertretenden Vorsitzenden. Die traditionellen Ämter des Kassiers und des Schriftführers blieben bestehen, neu hingegen war die Einrichtung der Ressorts „Arbeit und Beruf", „Gesellschaft und Politik", „Ehe und Familie", „Kultur und Freizeit", für die jeweils ein Verantwortlicher gewählt wurde. Angebote für Familien wurden Ende der siebziger Jahre, bzw. Anfang der achtziger Jahre etabliert. In den achtziger Jahren setzte sich das gewandelte Selbstverständnis dann in vollem Umfange durch. Die Kolpingsfamilie engagierte sich auf sozialem Gebiet, etablierte sich in der Stadt als Forum der politischen Diskussion, bot Platz für Familien und lud zu Vorträgen, die sich mit aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen befassten. Die Verwurzelung im Glauben und in der Kirche wurde nicht allein an den Gottesdienstfeiern, Wallfahrten und Andachten deutlich.
Boom der Jugendarbeit
Ein besonderes Feld des Engagements blieb weiterhin die Jugendarbeit, die sich nun als ein eigenständiger Bereich etablierte und in der Vorstandschaft über eigene Vertreter repräsentiert wurde. Die neunziger Jahre brachten dann mit der Änderung der Statuten eine abermalige Anpassung an die Pluralisierung der Tätigkeitsfelder des Verbandes. Die starren Ressorts von Anfang der siebziger Jahre wurden den Bedürfnissen angepasst. So gab es etwa einen Beauftragten für die Arbeit mit Jungen Erwachsenen oder für die Öffentlichkeitsarbeit. Gerade die Jugendarbeit boomte in den neunziger Jahren. Die Kolpingjugend organisierte sich weiterhin in geschlechtsspezifischen und alterhomogenen Gruppen, doch über die Gruppenbleiterrunde wurde ein breitgefächertes, auf die Jugendlichen zugeschnittenes Programm organisiert. Innerhalb des Verbandes und des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BdKJ) engagierten sich die Gruppenleiter, ebenso wie in der Jugendarbeit der Stadt Schwabmünchen. Die verstärkte internationale Ausrichtung des Kolpingwerkes wurde in Schwabmünchen mit dem Beginn der Partnerschaft mit der ungarischen Kolpingsfamilie Békéscaba im Jahre 1993 greifbar. In vielen Besuchen konnten die Beziehungen ausgebaut werden, so dass heute daraus Freundschaften entstanden sind.